Wo geht's hier ins Internet?

ACOnet und seine nationalen und internationalen Netzverbindungen

Peter Rastl
EDV-Zentrum der Universität Wien

Das österreichische Wissenschaftsnetz ACOnet ("Austrian Academic Computer Network"), dessen Aufgabe die Datennetzverbindung der Universitäten (und einiger anderer Bildungs- und Forschungseinrichtungen Österreichs) untereinander und mit der restlichen Welt ist, ging ursprünglich aus einem Forschungsprojekt an der TU Wien hervor und hat seinen regulären Betrieb im Jahre 1990 aufgenommen, damals auf der Basis von X.25-Verbindungen mit einer Bandbreite von 9600 Bit pro Sekunde. Im selben Jahr wurde erstmals in Österreich ein Anschluß an das (zu jener Zeit noch weitgehend unbekannte) Internet hergestellt: Das EDV-Zentrum der Universität Wien nahm eine 64 kbps-Datenleitung zum CERN (Genf) in Betrieb, von wo ein transatlantisches Glasfaserkabel mit der damals fantastischen Bandbreite von 1,5 Mbps die Internet-Anbindung Europas mit dem amerikanischen NSFnet herstellte. Kaum jemand konnte erahnen, welche Bedeutung das Internet in wenigen Jahren erlangen sollte und daß diese erste Netzverbindung die Keimzelle für eine expansive Entwicklung in Österreich darstellte, deren Ende auch heute noch nicht abzusehen ist.

Der Anschluß der übrigen Universitäten ans Internet ließ nicht lange auf sich warten. Zwischen der TU Wien und der Uni Wien wurde eine Glasfaserverbindung hergestellt und mit Bandbreiten bis 100 Mbps (FDDI) betrieben. Die Netzverbindungen von Wien in die anderen Bundesländer wurden auf 64 kbps aufgestockt, um auch dort einen ersten Zugang zum Internet zu ermöglichen. Im Jahre 1992 schließlich übertrug das Wissenschaftsministerium die Verantwortung für den Betrieb von ACOnet insgesamt dem EDV-Zentrum der Universität Wien. Das österreichische Backbone-Netz wurde vom X.25-Protokoll auf das Internet-Protokoll TCP/IP umgestellt und die internationalen Leitungsverbindungen wurden auf 256 kbps aufgestockt.

Mit den politischen Veränderungen erwachte in diesen Jahren das Interesse an einer Anbindung ans Internet plötzlich auch in den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas. Österreich als Nachbarstaat mit gemeinsamer Geschichte war als Kooperationspartner gerne gesehen, und unsere Universitäten dienten sofort als Vorbilder für die Erneuerung der Hochschulstrukturen in Osteuropa. Unter anderem leistete auch das EDV-Zentrum der Uni Wien - mitfinanziert von den führenden Computerherstellern - in diesen Staaten entscheidende Entwicklungshilfe beim Aufbau der nationalen Wissenschaftsnetze, und das österreichische Wissenschaftsministerium beteiligte sich an den Kosten für Datenleitungen nach Österreich. Als eine Folge dieser Kooperationen sind seit damals nahezu sämtliche Staaten Mittel- und Osteuropas über Österreich ans Internet ange- schlossen, und Wien hat sich als wichtigster europäischer Netzknoten für diese Region etabliert.

Weltweite Internet-Connectivity kann man jedoch nicht dadurch einkaufen, daß man einfach eine Datenleitung zum nächsten Internet-Knoten finanziert. Der eigene Datenverkehr geht ja über diesen Knoten hinaus, und man muß daher für den entstehenden Transit-Verkehr auch seinen Anteil an den Internet-Kosten des Anschlußpartners bezahlen. Da es aber nicht möglich ist, bilaterale Vereinbarungen mit allen potentiellen Netzpartnern zu treffen, beziehen Internet-Provider ihre globale Internet-Connectivity von eigenen Internet-Backbone-Providern, die entsprechende generelle Vereinbarungen mit anderen Providern besitzen. Einer der wichtigsten Backbone-Provider in Europa ist Ebone; auch ACOnet erhält seine Internet-Connectivity über seinen Anschluß an Ebone. Angesichts der zahlreichen Leitungsverbindungen nach Mittel- und Osteuropa beschloß Ebone im Jahre 1993, einen Backbone-Knoten in Wien zu errichten, der vom EDV-Zentrum der Uni Wien betreut wird. Dieser Umstand ist für ACOnet (und auch für die kommerziellen österreichischen Internet-Provider) sehr vorteilhaft, da die Leitungsverbindung zu einem nahegelegenen Backbone-Knoten natürlich sehr viel billiger kommt als eine Zubringerleitung ins Ausland. Österreich allein, ohne seine Rolle als Datendrehscheibe nach Osteuropa, hätte wohl nicht genügend Gewicht gehabt, um Ebone zur Errichtung eines Backbone-Knotens zu veranlassen.

Der Ausbau der internationalen Anschlußkapazität erfolgte kontinuierlich, seit damals konnte bisher jedes Jahr die Bandbreite des Anschlusses von ACOnet an Ebone verdoppelt werden: Im Jahre 1993 war der Wiener Ebone-Knoten über zwei 256 kbps-Leitungen (nach Genf bzw. Amsterdam) mit dem Backbone verbunden, und ACOnet beanspruchte die Hälfte dieser Bandbreite für sich. Im darauffolgenden Jahr wurden diese beiden Leitungen durch eine Datenleitung nach Paris ersetzt, zunächst mit 1 Mbps, im Jahre 1995 erfolgte die Aufstockung auf 2 Mbps. Im November des vorigen Jahres wurde zusätzlich eine 2 Mbps-Leitung in die USA in Betrieb genommen, sodaß die Backbone-Kapazität in Wien insgesamt 4 Mbps betrug, wovon ACOnet einen Anteil von 2 Mbps beansprucht. Die restliche Kapazität dient den übrigen am Wiener Knoten angeschlossenen Ebone-Teilnehmern (derzeit insgesamt 20 Netzprovider aus 10 Staaten). Eine zusätzliche 2 Mbps-Leitung zum Ebone-Knoten in München nahm Anfang Mai 1996 den Betrieb auf, und eine zweite 2 Mbps-Leitung in die USA ist bestellt. Es ist daher möglich - entsprechende Budgetmittel vorausgesetzt - in der zweiten Hälfte dieses Jahres die internationale Anschlußbandbreite von ACOnet weiter auf-zustocken.

Im Jahre 1994 konnte auch im österreichischen Backbone-Netz ein signifikanter Kapazitätssprung erzielt werden: Mit der Inbetriebnahme des 34 Mbps breiten Metropolitan Area Netzwerks (MAN) der österreichischen Post stand eine im Vergleich zu den früheren Standleitungen wesentlich leistungsfähigere bzw. kostengünstigere Infrastruktur zur Verfügung. Alle Universitätsstandorte wurden mit 2 Mbps an das MAN angeschlossen und konnten mit erheblich größerer Bandbreite als früher auch die internationalen Internet-Verbindungen nutzen. Doch auch in Österreich erlebt das Internet ein rasantes Wachstum: Während in Österreich mit Ende 1990 erst 192 Rechner im Internet registriert waren, sind es heute (Stand vom 30. 4. 1996) bereits 65.555 Hosts - allein seit Jahresanfang 1996 eine Steigerung um mehr als 12.000 Hosts. Etwa die Hälfte dieser Computer im österreichischen Internet entfallen auf den akademischen Bereich. Eine solche rasante Entwicklung holt daher in kürzester Zeit wieder alle Kapazitätserweiterungen im ACOnet ein: Gegen Ende 1995 wurde der 2 Mbps MAN-Anschluß in Wien zum Nadelöhr für allen Datenverkehr mit den anderen Bundesländern und verlangte dringend nach einer weiteren Auf-stockung. Diese gelang erst im März 1996: Die beiden Standorte mit dem größten Verkehrsaufkommen, Graz und Linz, wurden unter Verwendung der neuen Breitband-Dienste der österreichischen Post mit dedizierten 4 Mbps ATM-Verbindungen an den Wiener ACOnet-Knoten ange- schlossen und aus dem MAN herausgenommen. Dadurch reicht die bestehende Kapazität für die am MAN verbleibenden ACOnet-Teilnehmer vorerst wieder aus. Im nächsten Jahr sollen dann weitere Standorte auf ATM umgestellt werden. Auch für die Verbindungen der Wiener Universitäten ist die Umstellung auf ATM im Gange.

Ein besonders rasantes Wachstum erfährt das Internet in Österreich derzeit im kommerziellen Bereich. Alle paar Wochen kommt ein neuer Internet Service Provider auf den Markt und versucht, in dem neuen Geschäftszweig ein Marktsegment zu erobern. Die meisten von ihnen errichten ihre Internet-Anbindung über Ebone und sind - direkt oder indirekt - am österreichischen Ebone-Knoten an der Uni Wien angeschlossen. Nur die Eunet Austria hat seit Februar 1994 eine von Ebone unabhängige internationale Anbindung geschaffen (derzeit 1.5 Mbps nach Amsterdam), und neue internationale Internet-Provider werden in naher Zukunft auch in Österreich auf den Plan treten, um von der bis zum Jahr 1998 angestrebten Liberalisierung des Telekom-Marktes zu profitieren. ACOnet selber tritt nicht aktiv als Internet-Provider am kommerziellen Markt auf, ermöglicht aber trotzdem auch Einrichtungen außerhalb des Forschungs- und Bildungsbereiches - gegen ein Entgelt in gleicher Höhe wie bei Ebone - mit einem Anschluß an ACOnet einen Zugang zum Internet.

Um zu vermeiden, daß der Internet-Verkehr zwischen österreichischen Partnern, die über zwei verschiedene Service-Provider angeschlossen sind, übers Ausland - etwa gar über die USA - läuft und damit die teuren internationalen Leitungen belastet, ist es notwendig, lokale Querverbindungen zwischen den verschiedenen Providern zu schaffen. Ebone hat bereits auf europäischer Ebene mit anderen Backbone-Providern derartige Peering-Vereinbarungen abgeschlossen und tauscht beispielsweise den Verkehr mit Eunet Europe und mit dem IBM Global Network über seinen Knoten in Wien aus. Auch ACOnet konnte mit diesen Partnern ein lokales Peering vereinbaren und hat an der Uni Wien mit dem Aufbau des VIX (Vienna Internet Exchange) begonnen, der allen österreichischen Internet-Providern mit eigener internationaler Connectivity einen lokalen Verkehrs- austausch in Wien ermöglichen soll.

Aller Voraussicht nach hält das Wachstum im Internet auch während der nächsten Jahre unvermindert an, und ACOnet muß weiterhin eine jährliche Verdopplung der Bandbreite auf allen Backbone-Strecken einplanen. Dies ist natürlich nur finanzierbar, wenn die Telekom-Tarife für breitbandige Datenleitungen deutlich gesenkt werden und alle Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Unter anderem beteiligt sich ACOnet an einem von der EU geförderten Projekt (TEN-34) zur breitbandigen Verbindung der europäischen Wissenschaftsnetze, aber auch die Entwicklung der kommerziellen Netzprovider ist aufmerksam zu beobachten. Aus heutiger Sicht ist noch nicht klar, welche Partnerschaften für ACOnet künftig zielführend sein werden. Die Leitlinie für die Planung der nächsten Jahre lautet jedenfalls zuversichtlich "ACOnet-2000 at 155 Mbps".


Zum Inhaltsverzeichnis, Pipeline 19, Juni 1996