ATM hält Einzug in das Netz der TU Wien

Johannes Demel

Am 1. Mai 1996 wurde die Verbindung zwischen dem Netz der TU Wien und der Universität Wien sowie dem ACOnet - dem Netz der Österreichischen Universitäten - von der bisher eingesetzten FDDI-Technologie (100Mbit/s) auf die ATM-Technologie (155 Mbit/s in beide Richtungen) umgestellt. Die neue Anbindung der TU Wien ist folgender Abbildung zu entnehmen.

Neben der Hauptverbindung in ATM-Technologie existiert noch eine Backupverbindung in Ethernet-Technologie (10 Mbit/s). Wenn beide Verbindungen ausfallen, gibt es noch eine 64 kBit/s Notverbindung (nicht eingezeichnet). In absehbarer Zeit wird auch die WU-Wien, so wie bereits die Universitäten in Linz und Graz, in die ATM-Vernetzung eingebunden.

Was ist nun ATM ?

ATM steht für Asynchronous Transfer Mode und ist eine zellbasierende verbindungsorientierte Vermittlungs-technik, die über ein und dieselbe Strecke (d. h. Kabel) sowohl isochrone Dienste (Telefon, Video) als auch asynchrone Dienste (Daten) im selben Format (Zellen fixer Länge von 53 Byte, davon 48 Byte Nutzdaten) überträgt. Diese, noch in etlichen Bereichen in Entwicklung befindliche Technik, gehört zum Bereich der Breitband-Techniken (B-ISDN, nicht zu verwechseln mit dem Schmalband-ISDN, wie es für den "ISDN-Telefonanschluß" verwendet wird) und bietet langfristig deutlich höhere Datenraten (Gbit/s) als die bisherigen Techniken. Denjenigen, die sich mit Literatur über Sicherheitsprobleme in der EDV beschäftigen, wird der Begriff ATM noch für etwas ganz anderes bekannt sein, er steht dort nämlich für Automatic Teller Machine, bei uns unter Bankomat bekannt!

Bei den bisher an der TU Wien eingesetzten Übertragungstechniken Ethernet und FDDI war die kleinste Einheit, die auf einmal übertragen werden konnte und für die ein Router, eine Bridge oder ein Switch eine Entscheidung treffen muß, auf welches Kabel die Daten weitergeschickt werden sollen, das Paket (maximale Größe 1500 Byte bei Ethernet bzw. 4470 Byte bei FDDI). Diese relativ langen Pakete sind sehr gut für die Datenübertragung geeignet - man denke nur an die Übertragung eines 10 Mbyte großen Files - da wenig Verlust durch die pro Paket notwendigen Protokoll-Informationen (wer schickt wem etwas, Datenformat, laufende Paketnummer, Prüfsummen,...) entsteht. Der Nachteil ist jedoch, daß die Pakettechnik für die sogenannten isochronen Dienste, d. h. Übertragungen, die in fix vorgegebenen Zeitintervallen durchgeführt werden müssen wie z. B. Telefonie und Videoübertragung, nicht geeignet sind, da der Abstand zwischen den Paketen sehr unterschiedlich sein kann.

Als Lösung zur Verbindung der Anforderungen der Datenübertragung und Telefonie wurde die ATM-Technologie entwickelt, die als kleinste übertragene Einheit die Zelle hat. Als Kompromiß zwischen der Anforderung einer sehr kleinen Zellgröße für die Telefonie und der langen Pakete für die Datenübertragung wurde eine Zellgröße von 53 Byte, davon 48 Byte Nutzdaten, standardisiert. Durch diese sehr kleinen Zellen und die Verwendung von verbindungsorientierten Protokollen ist es nun möglich, daß der ATM-Switch die Entscheidung, auf welches Interface eine ankommende Zelle geschickt werden muß, sehr effizient, da praktisch keine Pufferung notwendig ist, in Hardware implementieren kann. Dadurch erreicht man sehr hohe Daten- und Switching- raten. Diese Technologie ist nicht nur mit 155 Mbit/s einsetzbar sondern auch für 622 Mbit/s, 2.4Gbit/s und 4.8Gbit/s usw. geeignet.

Zusammengefaßt bietet diese Technologie folgende Vorteile:

Natürlich gibt es auch Nachteile. Die Technologie ist noch neu und die Standardisierung (z. B. im Bereich des Managements heterogener Netze und die Anbindung der konventionellen - legacy - Netze) noch nicht abgeschlossen. Switches, die Geräte, mit denen die einzelnen ATM-Strecken und ATM-Workstations verbunden werden, sind für ATM noch sehr teuer (die Interface-Karten in Workstations sind jedoch in der gleichen Größenordnung wie bei FDDI). Ein technischer Nachteil ist, daß z. B. IP-Pakete, die natürlich deutlich größer sind als eine Zelle (wir verwenden derzeit eine Paketgröße von 9180 Byte auf der ATM-Strecke), in viele Zellen aufgeteilt werden müssen. Dies bedeutet einerseits relativ viel Overhead (ca. 10% für den Header in jeder Zelle), andererseits entstehen gravierende Probleme, wenn eine Zelle eines Paketes infolge eines Übertragungsfehlers (z.B. Überlastung) verloren geht. Dann müssen nämlich alle Zellen des Pakets neu übertragen werden!

Auf Grund der derzeit noch relativ hohen Preise der ATM-Technologie und der offenen Standardisierungen waren wir beim Start mit dieser Technologie eher zurückhaltend. Durch den glücklichen Umstand, daß die TU Wien von der Firma Ericsson Schrack im Rahmen des Austrian National Host (Forschungsinitiative der EU) eine sehr großzügige Unterstützung für das Pilotprojekt CIVIC (Computer Integrated Video Conferencing) einer Forschergruppe der Fakultät für Raumplanung und Architektur im Rahmen des Forschungsschwerpunkts "Computerintegrierte räumliche Planung" voriges Jahr erhalten hat, war es uns zur geringen Kosten möglich, in diese neue Technologie einzusteigen.

Da im Rahmen des Projektes CIVIC auch Verbindungen zu anderen Universitäten und ins Ausland aufgebaut werden sollen, war es daher sinnvoll, die ATM-Technologie am Verbindungspunkt zwischen TU Wien und Uni Wien bzw. ACOnet einzusetzen. Dazu kam noch, daß die WU-Wien voriges Jahr mit ATM im Backbone begonnen hat, die Uni Wien im Rahmen eines Projektes ATM einsetzt, und im ACOnet die Verbindungen mit dem größten Lastaufkommen (Wien-Linz, Wien-Graz) inzwischen auf ATM umgestellt wurden.

Die Vorteile dieser neuen Verbindungstechnologie zwischen TU Wien und Uni Wien bzw. ACOnet liegen nicht so sehr in den höheren Datenraten, sondern in den neuen Möglichkeiten:

Es ist daran gedacht, die ATM-Technologie bei wesentlichen Ausbauten, wie z. B. bei den neuen Gebäuden in der Favoritenstraße, in gewissen Bereichen einzusetzen.

Bei Fragen zu dieser Technologie und bei Wünschen nach projektbezogenen Schaltverbindungen wenden Sie sich bitte an mich.


Zum Inhaltsverzeichnis, Pipeline 19, Juni 1996