Computer Algebra Systeme (CASe) Aufbau, Ziel, Vergleich, Auswahl

Prof. Dr. F. Breitenecker
Abt. Simulationstechnik /ARGESIM, Technische Univ. Wien

Systeme wie Mathematica, Maple, Derive, Macsyma, GAUSS etc. erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, nicht nur zum „Formelrechnen“, sondern auch für numerische Berechnungen, graphische Darstellungen, lineare und nichtlineare Analyse etc. MATLAB entwickelt sich immer stärker zu einem Standardwerkzeug für numerische Analyse.

Dieser Beitrag versucht eine Standortbestimmung der symbolischen Systeme, beginnend von Entwicklung und Begriffsbestimmung über Aufbau und Anwendungsbereiche bis zu Vergleichen und Produktphilosophie, und stellt sie rein numerischen Systemen gegenüber.

Das EDV-Zentrum der TU Wien bietet Campuslizenzen für Derive, Mathematica, MATLAB und Maple sowie für den Simulator ACSL an.

Entwicklung, Begriffsbestimmung

Mathematica und Maple etc. waren bis etwa 1993 als Software für symbolische Manipulationen mit geringen numerischen Fähigkeiten bekannt; ihr Einsatz war eher in Forschung und Theorie beheimatet, echte Anwendungen waren spärlich vertreten. Für Derive gilt Ähnliches, zudem richtete es sich eher an die Ausbildung in Mittelschulen.

Für numerische Analysen wurde z. B. MATLAB verwendet, das stärker in Anwendungen eingesetzt wurde. In dieser Zeit hatten diese Systeme ihre abgegrenzten Einsatzgebiete (in Abb.1a schematisch dargestellt, und um ACSL, einen numerischen Simulator ergänzt).

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Abb. 1a) Einsatzgebiete von Mathematica, Maple, Derive, MATLAB und ACSL bis 1993

Eine stürmische Entwicklung hat das Bild allerdings vollständig verändert (Abb.1b): Mathematica und Maple erledigen nicht nur symbolische Problemlösungen, sondern auch numerische Lösungen, graphische Darstellungen, logisches Schließen. Sie haben sich zu integrierten Gesamtsystemen entwickelt, die eine sehr breite Palette von Forschung und Lehre bis zu verschiedensten Anwendungen abdecken.

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Abb. 1b) Einsatzgebiete von Mathematica, Maple, Derive, MATLAB und ACSL, 1997/1998

MATLAB hat sich zu einem Quasi-Standard entwickelt, kann (über die Symbolic Toolbox – nichts anderes als der Maple Kern) auch beschränkt symbolische Aufgaben erledigen, und wird von vielen als ernsthafter Ersatz für FORTRAN-Programmentwicklung und als Alternative zu C-Programmierung angesehen ([9]).

Derive hat seine dominierende Rolle in der Mittelschulausbildung gefestigt und bietet über den TI92 interessante Lösungen für Nischen am Anwendungsmarkt.

Selbst klassische Simulationssoftware (Simulatoren), im Prinzip spezielle Computer Numerik-Systeme für Problemlösungen mit Differentialgleichungen, sind in den betrachteten Systemen – mit unterschiedlicher Effizienz – beinhaltet: in MATLAB mit der Toolbox SIMULINK, in Mathematica und Maple (in ihren gegenwärtigen Versionen) mit einer hinreichenden Anzahl verschiedener Lösungsalgorithmen für Differentialgleichungen.

In Abbildung 1b ist damit ein deutliches Überlappen der Systeme zu sehen, mit immer größer werdendem gemeinsamen Durchschnitt und immer breiter werdender Anwendungspalette.

In Veröffentlichungen, vor allem im Anwendungsbereich, bürgert sich für Systeme wie Mathematica und Maple immer mehr die Bezeichnung Computer Algebra System (CAS) ein. Diese neue Bezeichnung scheint zunächst der Bestrebung zu folgen, „einheitliche“ Bezeichnungen im Rahmen der C- bzw. CASE-Tools (Computer-aided xxxx) zu folgen. Tatsächlich aber wird sie der Leistungsfähigkeit der Systeme weit mehr gerecht als die Bezeichnung Symbolic Computation (Software) System, die bisher hauptsächlich verwendet wird (vgl. Kapitel über Aufbau).

Daher wird in diesem Artikel, im Artikel über die Betreuung von Mathematica, Maple und Derive an der TU Wien ([14]), sowie am Informationsserver der ARGESIM (http://argesim.tuwien.ac.at/compalgs) bewußt die weitaus zutreffendere Bezeichnung CAS gewählt.

Konsequenterweise könnte man MATLAB, O-Matrix, aber auch Statistikpakete und klassische Simulatoren wie ACSL in einer Gruppe mit dem Namen Computer Numerik System (CNS) zusammenfassen. Dazu können auch numerische Libraries gezählt werden ([16]). Bei nicht stark differenzierter Betrachtungsweise bezüglich der Anwendungen muß allerdings zugegeben werden, daß dann „CNSe in CASe enthalten sind“. Tatsächlich sehen viele Entwickler und Anwender die Computer Algebra Systeme als umfangreichere Systeme an: bisher seien bloß die numerischen Aspekte zuwenig berücksichtigt worden.

Aufbau

Die Sichtweise der CASe als Systeme, die umfangreicher als numerische Systeme sind, wird durch nähere Analyse des Aufbaus von Computer Algebra Systemen unterstrichen.

Nach Buchberger ([15]) beinhalten moderne CASe die folgenden Fähigkeiten:

  1. Arithmetik in verschiedenen Zahlenbereichen: Integer beliebiger Länge, Floating Point mit (fast) beliebig langer Mantisse, Intervallarithmetik, „modulare“ Arithmetik, ...
  2. Symbolische Ausdrücke: bestehend aus Zahlen nach 1), Variablen und Funktionen
  3. Computer Algebra: Schachtelung algebraischer Strukturen auf Polynomen, Matrizen, Kongruenzklassen etc. über den Bereichen nach 1), einschl. boolscher Algebren !
  4. Computer Analyse: Symbolische Behandlung komplexer Ausdrücke, Summen von (auch unendlichen) Reihen, bestimmte und unbestimmte Integrale, Residuen, Laplace Transformation etc.
  5. Numerische Mathematik: Numerische Standardalgorithmen für alle Arten von Aufgaben, die auch nach 4) behandelt werden können
  6. Computational Logic: von einfachem logischem Schließen bis zum aufwendigen automatischen Beweisen – z. B. über (boolsche) Polynomideale
  7. Symbolic Computation als Programmiersprache
  8. Graphik und Animation
  9. Layout und interaktive Dokumentation (Notebook)
  10. Interfaces zu Programmiersprachen, Tabellenkalkulationsprogrammen, Datenbanken
  11. Bibliotheken und „User Community“, Publikationen

Dieser Katalog wird von den verschiedenen Systemen mehr oder weniger gut erfüllt und gibt dem Benutzer auch Hinweise für die Auswahl eines geeigneten Systems nach seinen Prioritäten. Er zeigt aber auch, daß Computer Algebra Systeme konzeptionell den rein numerischen Systemen überlegen sind.

Es wird die Meinung vertreten, daß CASe die numerischen Systeme bald „mitbeinhalten“ werden, sobald die Numerik ebenso effizient implementiert werden kann. Der Vorteil von MATLAB liegt hier eindeutig noch in der besseren Implementierung der Numerik (auch in der Performance), allerdings sei auch auf MATLABs begrenzte Genauigkeit hingewiesen (etwa 16 signifikante Dezimalstellen).

Vergleiche

Vergleiche sind sicher ein geeignetes Mittel, um die Leistungsfähigkeit und den Fähigkeitenkatalog von CASen zu überprüfen. Auf einige der laufenden Vergleiche sei hier eingegangen, zuvor jedoch ein warnender Satz:

Beurteilungskriterien und Auswahl der Testbeispiele lassen jede Software zum Sieger oder Verlierer küren

Populärwissenschaftlicher Vergleich

Von Zeit zu Zeit erscheinen Softwarevergleiche in populärwissenschaftlichen Zeitschriften, so auch zur Symbolic Software.

Der Artikel „Was Einstein fehlte“ in mc extra ([5]) vergleicht, trotz des reißerischen Titels, auf korrekte anwendungsorientierte Art und Weise, die „Boliden“ (Bezeichnung im Artikel) Macsyma, Mathematica, Maple, Mathcad und MATLAB.

Die Kriterien Leistungsfähigkeit der symbolischen und numerischen Verarbeitung, Einfachheit der Bedienung, Dokumentation, Module für Anwendungen sowie Brauchbarkeit und Leistungsfähigkeit der „Programmiersprache“ des Systems wurden mit (veröffentlichten) Testbeispielen (mit den Klassen Numerik, Symbolik und Graphik) überprüft. Das Resultat ist grob in folgender Tabelle mit Punkten zusammengefaßt:

Produkt / Klasse Symbolik Numerik Grafik
Macsyma 2.1.5

17

8

9

Maple V.4

19

8

9

Mathematica 2.2

18

9

10

Mathcad 8.0

10

6

6

Matlab 4.2

0

6

8

Wie bei vielen anderen derartige Vergleichen konnten leider nicht die neuen Versionen (insbesondere bei Mathematica und MATLAB) getestet werden. Aber obwohl populärwissenschaftlich, zeigt dieser Vergleich Mathematica und Maple (auch bei Extrapolation auf die neuen Versionen) gleichauf.

Betont wird, daß MATLAB zwar nur als Referenz und sehr häufig verwendetes Standardwerkzeug zum Vergleich herangezogen wurde (obwohl es kein Symbolic Tool ist), dennoch überrascht die schlechtere Bewertung in der Numerik.

Vergleich mit Präferenzen

Wie sehr derartige Vergleiche von der Auswahl der Testbeispiele bzw. der Ausrichtung des Vergleiches, der jeweiligen Version und auch vom Selbstverständnis des Benutzers abhängig sind und damit a priori Präferenzen erzeugen, zeigt ein an sich durchaus solider Vergleich von L. Bernhardin (ETH Zürich, [3]).

Als „six best known general purpose systems to date in the area of general algebraic and transcendental equation solving“ werden die Systeme Axiom 2.0, Derive 3.06, Macsyma 4.20, Maple V.4, Mathematica 2.2; MuPAD 1.2.9 und Reduce 3.6 verglichen, wobei explizit viele numerische Aspekte ausgeklammert werden.

Der Vergleich stellt 80 Aufgaben. Eine vollständige und korrekte Lösung wird mit 2 Punkten bewertet, eine fast vollständige mit 1.5 Punkten, eine teilweise Lösung mit 1 Punkt, keine Lösung mit 0 Punkten, und falsche Lösungen mit -1 Punkt. Das Ergebnis zeigt eine starke Verzerrung:

Produkt Punkte Bemerkung
Axiom 2..0 18 einige (-1) Punkte
Derive 3.06 51 häufig 1.5 und 1 Punkte
Macsyma 4.20 48 häufig 1.5 Punkte
Maple V.4 131.5 sehr häufig 2 Punkte
Mathematica 2.2 27 häufig 1 bzw. 0 Punkte
MuPAD 1.2.9 22 häufig 0 Punkte
Reduce 3.6 49 häufig 1.5 Punkte

Dieses Ergebnis scheint eindeutig für Maple zu sprechen. Aber es können sofort Kritikpunkte angegeben werden:

Der Vergleich bemüht oft das Auflösen von transzendenten Gleichungen. Viele Gleichungen, die transzendente Funktionen enthalten, können nicht explizit aufgelöst werden. Um aber trotzdem Ergebnisse zu erhalten, ist in Maple V.4 die LambertW-Funktion definiert. Diese ist die Umkehrfunktion zu f(x) = xex. Da aber die Umkehrung mit Ausnahme an der Stelle 0 nicht eindeutig ist, hat die LambertW-Funktion unendlich viele Zweige (im Komplexen), wobei aber genau einer bei 0 analytisch ist. Durch die Definition dieser Funktion können nun wesentlich mehr transzendente Gleichungen formal aufgelöst werden.

In Mathematica steht diese Funktion bis zur Version 2.2.3 nicht zur Verfügung. Es besteht aber die Möglichkeit, daß der Benutzer diese Funktion selbst definiert und somit die Gleichungen formal lösen kann, d. h. mit hinreichendem mathematischen Wissen sind die Aufgaben lösbar! Ab Mathematica 3.0 ist nun die LambertW-Funktion auch standardmäßig vorhanden (als ProductLog bezeichnet).

Berücksichtigt man diese Gegebenheiten, so würde Mathematica 3.0 vermutlich ebenfalls über 100 Punkte kommen, wie auch Macsyma und Derive.

Interessierte finden detaillierte Information über die Leistungen der neuen Versionen von Maple und Mathematica in [1, 2, 17].

Umfassender Vergleich

Ein dankenswerterweise nachvollziehbarer Vergleich (die Testbeispiele sind für alle Produkte abrufbar) ist als Benchmark von S. Steinhaus (Univ. Frankfurt, [19]) verfügbar. Dieser wohl umfangreichste Vergleich testet eingehend mit 103 Testbeispielen die mathematische sowie die graphische Funktionalität, die Funktionalität der Programmierumgebung und den Datenimport und -export und darüber hinaus die Plattform-Verfügbarkeit und die Rechenzeit.

Die verglichenen Produkte sind GAUSS (von Aptech Systems), Macsyma, Maple, Mathematica, MATLAB, MuPAD, O-Matrix (MATLAB-ähnlich), sowie Ox und S-Plus (auf letztere sei nicht eingegangen).

Nach aufwendigen Tabellen über Teilergebnisse ergibt sich folgende Ergebnistabelle (Zusammenfassung, Bewertung in % – 100% bedeutet alle Aufgaben erfüllt):

  Mathematik Graphik Programmierung Daten-Export Import Plattformen Geschwindigkeit
GAUSS 3.2

88

52

50

38

61

49

Macsyma 2.2.1

51

47

36

8

33

10

Maple V.4

52

56

30

8

72

2

Mathematica 3.0.1

78

78

60

38

77

8

MATLAB 5.1

76

82

73

23

80

40

MuPAD 1.3.0

22

30

40

8

83

2

O-Matrix 3.2

35

52

36

11

11

70

Diese Ergebnisse zeigen bei den klassischen Vergleichskriterien keine wesentlichen Überraschungen. Mathematica wird durch die Auswahl der Testbeispiele hier etwas bevorzugt – aber lange nicht so extrem wie beim vorher beschriebenen Vergleich und liegt objektiv betrachtet gleichauf mit Maple. GAUSS scheint in der Tat sehr gut zu sein, ist aber wenig verbreitet.

Problematisch ist der Geschwindigkeitsvergleich, bei dem je nach Programmierung interpretierte oder übersetzte Module zum Einsatz kommen und damit die eklatanten Unterschiede erklären.

Dennoch sind Mathematica und Maple signifikant langsamer (vor allem bei numerischen Aufgaben), was u. a. an der bereits zuvor erwähnten, noch immer unzulänglichen Implementierung für diesen Bereich liegt.

Geschwindigkeitsvergleich

Ein Geschwindigkeitsvergleich ist dann (fast) unanfechtbar, wenn ein Produkt mit denselben Aufgaben (gleich programmiert) auf unterschiedlichen Plattformen bzw. Prozessoren verglichen wird. Karl Unterkofler (TU Graz, [20]) hat einen derartigen Benchmark für Mathematica 3.0 zusammengestellt.

Anwendern wird ein abrufbares Test Notebook mit den Aufgaben angeboten, die Ergebnisse (so übermittelt) werden in eine Tabelle aufgenommen. Diese Ergebnistabelle mag die Auswahl eines neuen Rechners erleichtern, wenn viel mit Mathematica gearbeitet werden soll.

Die Ergebnisse sind zu umfangreich, um hier angegeben zu werden; bisher (Stand 5. 12. 1997) haben sich  111 Rechner dem Test unterzogen. Ein kleines Ergebnisdetail: wird als Referenz ein Pentium Pro 200, 64MB, Win95 mit Faktor 1 genommen, so führen derzeit ein Pentium II-300, SuperMicro P6SKS, 64 MB, Linux und ein Power Mac 9600/350, 448MB, MacOS 7.6 mit Faktor 3.3.

Bemerkenswert ist auch noch, daß klassische Workstations nicht überragend abschneiden. Zudem trägt z. B. die neueste Maple Release nicht zu Unrecht die Bezeichnung „Power Edition“ – nicht nur Maple hat vermehrte Power, auch vom Rechner wird mehr Power, im wesentlichen mehr Arbeitsspeicher verlangt. Daher ist die Arbeitsspeicherausstattung für CASe fast wichtiger als die Geschwindigkeit des Prozessors.

Intuitiver Vergleich

Am meisten interessiert wohl ein Vergleich zwischen Mathematica und Maple. Ein intuitiver Vergleich, eine Befragung von Benutzern beider Systeme, kein Vergleich irgendwelcher Tests, bringt Hinweise, wie in untenstehender Tabelle dargestellt.

Vereinfachend kann man zusammenfassen,

 

Mathematica 3.x  

Maple V.x

Bedienung
  • konsistenter und logischer Aufbau, aber schlechte intuitive Bedienung
  • für kurze Beispiele oft sehr umständlich
  • intuitiv gestaltete Benutzerschnittstelle
  • schnelles Erlernen der Grundfunktionen möglich, daher  gut geeignet für kurze Beispiele
  • nicht ganz konsistenter Aufbau, daher bei komplizierten Problemen oft umständlich
  • Programmierung
    • „es kann so ziemlich alles programmiert werden“; kaum Einschränkungen
    • Art der Programmierung ungewohnt (Listenkonzept)
  • Programmierung prinzipiell möglich
  • Programmierung aber wegen nicht konsistentem Aufbau meist umständlich
  • Stärken in der Mathematik
    • Numerische Verfahren
    • Grafikausgabe
  • symbolische Manipulation (vor allem Gleichungsauflösung, Integration)
  • Schwächen in der Mathematik
    • symbolische Gleichungsauflösung und Integration (gilt nur mehr für Version 2.2.3)
  • lineare Algebra (umständliche Bedienung)
  • Logisches Schließen
    • Gute Unterstützung u. a. durch Programmierung mit Listenkonzept
  • Umständlich in der Anwendung, keine konsistente Programmierung
  • Hilfe
    • Version 2.2.3: schwer verständlich
    • Version 3.0: übersichtlich, guter Browser
  • sehr übersichtlich gestaltet
  • guter Browser
  • Layoutmöglichkeiten
    • Version 2.2.3: keine Formeldarstellung
    • Version 3.0: Formeldarstellung  und Notebook „voll“ vorhanden
  • sehr gute Möglichkeiten, um wissenschaftliche Texte zu schreiben
  • Kombination von Textteilen und Berechnung, schöne Formeldarstellung
  • EUROSIM Software Comparisons

    Die Zeitschrift EUROSIM Simulation News Europe ([8]) schreibt seit 1990 sogenannte „Comparisons of Simulation Software“ aus. Dabei werden in relativ kleinen, aber komplexen Beispielen bestimmte (maximal drei) Features von Simulatoren getestet.

    Auch Computer Algebra Systeme haben sich an diesen Vergleichen beteiligt, mit Erfolg ([21]).

    Anwendungen

    Den Computer Algebra Systemen wird nachgesagt, daß sie eher nur für Forschung, Entwicklung und Lehre taugen. Das mag für die Anfangszeit (vor 1990) gestimmt haben, aber die Entwicklung geht, wie schon im ersten Kapitel erwähnt (s. Abb.1b), eindeutig auch in Richtung Anwendungen. Einige Punkte seien hier kurz erwähnt.

    math

    Simulationstechnik

    In der Simulationstechnik werden bei komplexen Modellen umfangreiche symbolische Modell- (Gleichungs-) Manipulationen notwendig. In verschiedenen Aufgabenbereichen stellen die CASe bereits eine echte Alternative zu den numerischen Werkzeugen dar. Interessierte seinen z. B. auf die Beiträge des letzten Seminars über Symbolic Computation im Rahmen der Reihe Seminare aus Modellbildung und Simulation an der TU Wien hingewiesen ([10, 11, 12, 13]).

    Libraries (Module) in Mathematica, Maple und Derive

    Sowohl Mathematica als auch Maple schlagen bei der Erweiterung ihrer Anwendungspalette den Weg von Zusatzmodulen (frei abrufbar bzw. eigenständige Produkte) ein.

    Die Maple Share Library ist standardmäßig in Maple integriert und enthält eine große Sammlung an zusätzlichen Funktionen, Funktionspaketen und vielen Beispielen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten.

    Die Library beinhaltet: Algebra, Analysis, Berechnungen, Kombinatorik, Umwandlungen, Kurse, Engineering, Geometrie, Lineare Algebra, Modulararithmetik, Numerik, Zahlentheorie, Programmierung, Wissenschaft, Statistik und Zusatztools.

    Auf die Share Library kann via anonymous FTP zugegriffen werden. Es stehen auch Internet Server in Europa zur Verfügung (s. Maple Homepage).

    Mathematica bietet wie MATLAB Toolboxen an, die allerdings nicht frei verfügbar sind. Neben genuinen Wolfram-Toolboxen stehen auch bereits Third-Party-Module zur Verfügung (s. obige Abbildung).

    Erwähnenswert ist, daß Mathematica und Maple auch den Einstieg in die Finanzwelt mit Toolboxen zur Kursberechnung, Trendanalyse etc. suchen und damit den Weg von MATLAB mit seiner Financial Toolbox gehen.

    Erwähnt seien auch noch die vielfältigen User Contributed Math Packages für Derive, die frei verfügbar und die teilweise ebenfalls auf Anwendungen orientiert sind.

    Parallelisierung

    „Parallelisierung ist kein Thema“, erklärte The Math Works, Entwickler von MATLAB noch vor drei Jahren. Dennoch sind vernünftige Ansätze zu finden, wie z. B. bei einer Message Passing-Lösung von Pawletta ([18]).

    Auch Maple wird parallelisiert – eine Beschleunigung könnte sicher guttun. Bernhardin, der sich im zuvor beschrieben Vergleich mit Präferenzen als Maple-Protagonist vorgestellt hat, arbeitet z. B. mit Maple auf Massively Parallel Distributed Memory Systems ([4]). Weitere Parallelisierungen sind zu erwarten.

    Hardware-Interface, Codegenerierung

    Während Codegenerierung in C von Maple und teilweise von Mathematica angeboten wird, scheint das Gebiet der Hardware-Interfaces ein Stiefkind zu sein.

    Hier springt interessanterweise Derive ein: über den TI92 (mit Derive) und mit Hilfe des CBL-Systems (Calculator Based Laboratory) ist Hardware koppelbar, z. B. ein Sensor für Herzfrequenz etc.

    Weitere Anwendungen

    Während die Simulationstechnik und die gängigen numerischen Pakete Partielle Differentialgleichungen sträflich vernachlässigen, bieten CASe nun die Möglichkeit zur symbolischen (Vor-) und numerischen Behandlung.

    Hier sind bereits „harte“ technische Anwendungen zu finden, wie z. B. Simulation von transienten Temperaturfeldern ([6]) und Wärmekraftübertrager ([7]).

    Philosophie

    Es ist Mode geworden, ein Produkt nicht nur mit einer Leistung, sondern auch mit einer Philosophie zu versehen. Man ist sicher erfreut über die Derive-Kugelschreiber, die Macsyma-Mousepads, die MATLAB-Kaffeehäferl, die Mathematica-Poster. Am stärksten allerdings setzt Wolfram Research Produktphilosophie und Corporate Identity zur Bewerbung ihres Produktes Mathematica ein.

    Sehr bald – manche meinen zu bald – stößt man am Wolfram-WWW Server auf das Devotionalienangebot, das zum Bestellen einlädt,  u.a.:

    kappe
    Uns eher wissenschaftlich konservativen Europäern ist der Zusammenhang zwischen einer Two-Color Twill Cap und einer Residuenberechnung eher unklar.

    Zum Abschluß

    Macsyma geht als erstes CAS den Weg der KI-unter- stützten verbalen Eingabe – Maple und Mathematica werden in kommenden Versionen folgen müssen.

    Dabei soll nach Defintion und Wertbelegung einer Matrix A z.B. statt eines Befehles der Satz

      Compute the eigenvalues of A and show the eigenvectors

    die Formeleingabe bzw. Befehlseingabe ersetzen.

    Die Reviews fragen sich ob dieses neuen Features: „So is the ability to query with plain English a significant plus or just a gimmick ?“

    Der Einsatz von CASen wird sicher seinen Siegeszug fortsetzen. Besonders im Bereich der Ausbildung besteht aber die Gefahr, daß bei starkem Einsatz der Symbolischen Systeme das Handwerkszeug verlernt wird. Differenzieren mit Papier und Bleistift wird dann manchem ebenso schwer fallen wie jetzt schon 2 x 2 ohne Taschenrechner. Auch der Autor schließt sich hier den Warnern an. Andererseits sei an einen berühmten Mathematiker erinnert:

    „Denn es ist eines ausgezeichneten Mannes nicht würdig, wertvolle Stunden wie ein Sklave im Keller der einfachen Berechnungen zu verbringen“
    Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716

    Quellen

    [1] W. Auzinger, W. Haider: Maple V Release 4. PIPELINE 22 (1997), EDV-Zentrum TU Wien, 18 - 20

    [2] W. Auzinger: Erste Erfahrungen mit Maple V Release 4. PIPELINE 23 (1997), EDV-Zentrum TU Wien, 38

    [3] L. Bernardin: A Review of Symbolic Solvers. SIGSAM Bulletin 31(1), 1996

    [4] L. Bernardin: Maple on a massively parallel, distributed memory machine. Proceedings of PASCO ‘97, ACM Press, 1997

    [5] S. Braun, H. Häuser: Was Einstein fehlte. Mc extra, 9/1996, 12-19

    [6] S. Braun: Simulation von transienten Temperaturfeldern. VDI Berichte Nr. 1301 (1996), 25 - 36

    [7] S. Braun: Auslegung von Wärmekraftübertragern.  VDI Berichte Nr. 1301 (1996), 53 - 64

    [8] F. Breitenecker, I. Husinsky, et al.: Comparison of Simulation Software. Definition of Comparisons. SNE EUROSIM Simula- tion News Europe (F. Breitenecker, I. Husinsky eds.). SNE 0 (1990), 25; SNE 2 (1991), 20, 31; SNE 4 (1992), 29; SNE 7 (1993), 28 - 29; SNE 10 (1994), 21-22; SNE 17 (1996), 28-29, SNE 22 (1998)

    [9] F. Breitenecker: MATLAB und ACSL; Entwicklungen und Institutsunterstützung an der TU Wien. PIPELINE 18 (1996), EDV-Zentrum TU Wien, 28-35

    [10] F. Breitenecker (Hrsg.): Seminarbericht „Symbolic Computation – Entwicklung und Anwendungen“. ARGESIM (1996)

    [11] F. Breitenecker: Seminare „Modellbildung und Simulation“. PIPELINE 21 (1997), EDV-Zentrum TU Wien, 48

    [12] F. Breitenecker: ARGESIM News: MATLAB, Seminare. PIPELINE 22 (1997), EDV-Zentrum TU Wien, 30

    [13] F. Breitenecker, M. Lingl: Seminare „Modellbildung und Simulation“ PIPELINE 24 (1998), EDV-Zentrum TU Wien, 39 - 40

    [14] F. Breitenecker, M. Lingl: Betreuung der Computer Algebra Systeme. PIPELINE 24 (1998), EDV-Zentrum TU Wien, 25 - 26

    [15] F. Buchberger: Computational Software Systems: The Current State of Technology. In F. Breitenecker and I. Husinsky (eds.): Proc. EUROSIM’95. Elsevier (1995), 85 -94

    [16] E. Haunschmid, Ch. Überhuber: Numerische Software. PIPELINE 19 (1996), EDV-Zentrum TU Wien, 25-28

    [17] W. Husinsky: Erste Erfahrungen mit Mathematica 3.0. PIPELINE 21 (1997), EDV-Zentrum TU Wien, 25 - 26

    [18] S. Pawletta, T. Pawletta, W. Drewelow: Distributed and parallel simulation in an interactive environment. In F. Breitenecker, and I. Husinsky (eds.): Proc. EUROSIM’95. Elsevier (1995), 345 - 350

    [19] S. Steinhaus: Comparison of mathematical programs for data analysis. http://www.uni-frankfurt.de/ˆstst/ncrunch.html

    [20] K. Unterkofler: Comparison of Mathematica 3.0 on Various Computers. http://fampm201.tu-graz.ac.at/karl/timings30.html

    [21] N. Venuti: Comparison 7: Mathematica Bond Graph Toolbox. SNE - EUROSIM Simulation News Europe 14 (1995), F. Breitenecker and I. Husinsky (eds.)., Elsevier, 35


    Zum Inhaltsverzeichnis, Pipeline 24, Februar 1998