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Aleph 500 aus der Sicht eines Bibliothekars

Robert Würzl
wue@novsrv.ub.tuwien.ac.at
Bibliothek der TU Wien

Seit mehr als einem dreiviertel Jahr arbeiten die Angehörigen der Technischen Universität Wien und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bibliothek mit einer Software namens Aleph 500, wenn es darum geht, die Buchbestände aller Einrichtungen der TU zu recherchieren bzw. die Daten dieser Literaturquellen so zu erfassen, aufzubereiten und zu verwalten, dass diese wichtigen Informationen für Studium, Forschung, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit auf komfortable Weise zur Verfügung stehen.

Ein wesentlicher Fortschritt zu "alten Zeiten" (die liegen erst wenige Jahre zurück) ist die Möglichkeit, auf diese Informationen nicht nur in den Räumen der Bibliothek (Hauptbibliothek, Fachbibliotheken), sondern von jedem Arbeitsplatz, der einen Zugang zum Internet und über einen der Standard-Web-Browser (Netscape 4.x, Internet Explorer 4.x) verfügt, zuzugreifen; im Prinzip weltweit - egal ob auf einem Universitätscampus, in einer Firma oder daheim. Wer die Adresse http:// aleph.tuwien.ac.at/ anwählt, wird jederzeit (mit Ausnahme kurzer "Wartungsfenster" während der Nacht oder fallweise am Wochenende) mit dem Online-Katalog (OPAC) der TU Wien verbunden. Empfehlenswert ist die alternative über die Homepage der Bibliothek (http:// www.ub.tuwien.ac.at/), die neben dem Link zum OPAC zu einer Reihe weiterer praktischer Informationsangebote Verzweigungen anbietet.

Zunächst - eher unüblich - eine Auflistung der Themen, die ich in diesem Beitrag nicht behandeln werde, weil sie schon an anderer Stelle ausführlich beschrieben worden sind (siehe dazu die Hinweise im Anhang):

Nun aber zu den Vorzügen der neuen Systemarchitektur mit verteilter Datenhaltung und verteilten Rechner-ressourcen und den dadurch bedingten bibliothekarischen Arbeitsabläufen.

Das Bibliotheksverwaltungssystem Aleph 500 bildet seit Mitte Jänner 1999 in den Bibliotheken des Österreichischen Bibliothekenverbundes die Basis für die computerbasierten Arbeiten der an diesem Verbundsystem teilnehmenden Einrichtungen. Es handelt sich dabei um eine Kooperation von derzeit 22 Bibliotheken in ganz Österreich. Dazu zählen die Universitätsbibliotheken, die Bibliotheken der Kunsthochschulen (inzwischen ebenfalls Universitätsbibliotheken), die Österreichische Nationalbibliothek und dazu noch einige Bibliotheken kleinerer Institutionen (z.B. Bibliothek St. Gabriel in Mödling).

Diese Zusammenarbeit bietet eine Reihe von Vorteilen. alle Teilnehmer erarbeiten gemeinsam den Verbundkatalog, eine große zentrale Datenbank, die alle von den Verbundbibliotheken katalogisierten Buchtitel und die Standorte der an den bibliothekarischen Einrichtungen verfügbaren Exemplare beinhaltet. Der Ausdruck Buchtitel ist in zweifacher Weise unpräzise. Einerseits weil natürlich nicht nur die Titel, sondern alle bibliographischen Informationen gespeichert werden (und der größte Teil davon recherchiert werden kann), andererseits weil neben Büchern auch Zeitschriftentitel, EDV-Medien, Tonträger etc. im Verbundkatalog nachgewiesen werden.

Technisch gesehen, besteht der Bibliothekenverbund aus einer Reihe miteinander gekoppelter Rechnersysteme. Der zentrale Rechner (Verbundrechner) arbeitet mit dezentralen Rechnern (Lokalsystemen) zusammen. Das Zentrale System steht in Wien, in den Räumen der AGBA - Arbeitsgruppe Bibliotheksautomation, einer Dienststelle des BMWV. Die AGBA bildet technisch und organisatorisch die Verbundzentrale. Die lokalen Rechner stehen zumeist an den EDV-Zentren oder ZIDs der Universitäten und werden dort durch System-Administratoren betreut.

Um die Vorteile der Verbundidee und der verteilten Rechnersysteme anschaulicher zu machen, möchte ich den Ablauf einer typischen Buchbearbeitung erläutern.

Die Bestellwünsche (von Instituten, Fac hreferenten und Vorschläge von Lesern und Leserinnen) werden von der Erwerbungsabteilung gesammelt. Im Verbundkatalog (zentrales System) wird recherchiert, ob es von dem gewünschten Titel bereits eine Katalogaufnahme gibt. Bei positivem Ergebnis wird eine Kopie des Titeldatensatzes auf dem lokalen Rechner angelegt. Eine neuerliche Erfassung durch die lokale Bibliothek ist dann nicht mehr erforderlich. Führt die Recherche zu keinem Treffer, wird eine neue Titelaufnahme durch die Bibliothekare und Bibliothekarinnen der lokalen Bibliothek, aber direkt in der Verbunddatenbank des zentralen Rechners angelegt. alle weiteren Bibliotheken, die das gleiche Werk bestellen wollen (oder geliefert bekommen haben), ersparen sich eine eigene Titelaufnahme. Sie nutzen den Titel, indem sie ihn auf ihren eigenen lokalen Rechner kopieren. Einundderselbe Titeldatensatz existiert somit immer im zentralen System und in jenen lokalen Systemen, die ein oder mehrere Exemplare zu diesem Titel besitzen.

Sollte es irgendwann zu einer Korrektur oder Erweiterung der Daten eines Titels kommen, wird diese Veränderung wieder ausschließlich im zentralen System vor-genommen. Anschließend wird diese aktuellste Version des Titeldatensatzes automatisch an alle lokalen Systeme verteilt, die diesen Titel genutzt hatten (somit sind immer alle Kopien auf dem gleichen Stand).

Die Verbundarchitektur bietet noch einen weiteren großen Vorteil. Der Verbundrechner speichert einen sehr umfangreichen Pool so genannter Fremddaten, die ebenso wie die Verbunddaten von den angeschlossenen Lokalsystemen recherchiert und genutzt werden können. Die Fremddaten werden von großen ausländischen Datenzentralen, wie z. B. von DDB (Die Deutsche Bibliothek) zugekauft und periodisch aktualisiert. Der Vorgang des Nutzens ist ähnlich, nur dass in diesem Fall von der nutzenden Bibliothek zwei Kopien angelegt werden, eine im Verbundkatalog und eine im lokalen System.

Schlussendlich verfügt der zentrale Rechner über eine dritte Kategorie Daten, die von verbundweiter Bedeutung sind: die so genannten Normdateien. Derzeit stützt sich der Verbund auf drei derartige Datenbanken:

Die Schlagwortnormdatei soll die präzisere Suche nach sachlichen Kriterien erleichtern. Sie bildet eine Art Thesaurus, in dem jedes zugelassene Schlagwort (Deskriptor) eingebettet ist in eine hierarchische Struktur von Oberbegriffen, Unterbegriffen und verwandten Begriffen. Daneben kann es zu einem Deskriptor auch Non-Deskriptoren geben, also Wörter, die zwar im allgemeinen Sprachgebrauch synonym verwendet werden, im Verbundkatalog für die Beschlagwortung aber nicht zugelassen sind.

Bei der Katalogisierung werden die entsprechenden Kategorien des Titeldatensatzes (Autoren, Körperschaften, Schlagwörter) mit den zutreffenden Normdatensätzen verknüpft, das heißt es werden im Titelsatz nicht nur die Wörter, sondern auch die Identifikationsnummer gespeichert. Das bietet bei der Recherche den großen Vorteil, dass man als Suchbegriff genauso gut einen Non-Deskriptor (Verweisungsform) eingeben kann und trotzdem zum richtigen Ergebnis kommt (auch ohne Kenntnis der Normdateien).

Ein weiterer Vorteil (für die Bearbeitung): sollten Änderungen an Deskriptoren notwendig sein oder weitere Verweisungsformen hinzukommen, ist es nicht erforderlich, die zahlreichen verknüpften Titeldatensätze händisch zu bearbeiten. alle Korrekturen werden vom System automatisch - unter Zuhilfenahme der Identifikationsnummern - ausgeführt.

Wenden wir uns nun den lokalen Komponenten von Aleph 500 zu. Bedingt durch die Client-Server-Architektur der Software besteht jedes lokale System aus einem Server und den über das lokale Netzwerk angeschlossenen Bearbeiter-PCs. Während die Programme am Server unter UNIX laufen und die zugrundeliegende relationale Datenbank ORACLE ist, sind die Client-Programme in mehrere Module aufgeteilt, alle mit einer grafischen Benutzeroberfläche (unter Windows 95 und Windows NT). Die wichtigsten Module dienen den Aufgaben OPAC (Online Public Access Catalog), Katalogisierung, Erwerbung, Exemplarverwaltung, Zeitschriftenverwaltung, Entlehnung, Fernleihe (und weitere). Als Bindeglied für alle lokalen Bearbeitungsvorgänge dienen einerseits die lokalen Titeldaten, andererseits der lokale OPAC, mit dem die zu bearbeitenden Daten von den Bibliothekaren und Bibliothekarinnen recherchiert und an die anderen Module "übergeben" werden. Dieser sogenannte GUI-OPAC (von Graphic User Interface) wird ausschließlich bearbeiterseitig eingesetzt, für die Endbenutzer gibt es stattdessen den WWW-OPAC.

Im Zuge der Buchbearbeitung (Geschäftsgang) entstehen nacheinander, in verschiedenen Abteilungen der Bibliothek, eine Menge zusätzlicher lokaler Daten, Verwal- tungsdaten, die zwar mit den Titeldaten verknüpft, aber in separaten Datenbanken gespeichert sind. Um eine Vorstellung von der Art der lokalen Daten zu geben, seien einige exemplarisch aufgezählt: Lieferanten, Preise, Inventarnummern, Budgetzuordnung, Rechnungen, Standorte (innerhalb der Hauptbibliothek, an Fachbibliotheken, an Instituten), Status (Verfügbarkeit, Entlehnbarkeit), klassifikatorische Sacherschließung, eventuell zusätzliche lokale Schlagwörter, zusammenfassende Bestandsübersichten bei Zeitschriftenbeständen, Daten zur Entlehnung (Benutzerdaten, Leihfristen, Gebühren).

Ein Vorteil der modularen Programmstruktur ist der rationellere Einsatz in den auf bestimmte Arbeitsbereiche spezialisierten Bibliotheksabteilungen (z. B. Erwerbungsabteilung, Katalogisierungsabteilung, Fac hreferenten, Zeit- schriftenabteilung, Leihstelle). Zumeist sind bei einem Bearbeitungsgang nur kleinere Programm-Module aktiv, die "Spezialisten" müssen die anderen Module nicht bis ins letzte Detail beherrschen. Da die Teile eines Datensatzes in verschiedenen Datenbanken abgelegt sind, sind nur die jeweils benötigten Elemente geöffnet bzw. könnten verschiedene Teile auch gleichzeitig bearbeitet werden.

Während ein Buch nach und nach die verschiedenen Abteilungen durchläuft, werden die Daten immer mehr vervollständigt, bis mit der Ausstattung des Buches mit Etiketten und der Aufstellung in Bibliotheks- oder Institutsräumen die Bearbeitung abgeschlossen ist. Schon während der Bearbeitung (ab der Eingabe des "Bestelldatensatzes") können über den Online-Katalog die bereits erfassten Informationen zum Buch gefunden werden. Das wiederum kann als Entscheidungsgrundlage für eigene Ankaufsvorhaben, für Vorschläge zur Aufnahme in die Lehrbuchsammlung und für spätere Entlehnwünsche dienen.

Nach Inbetriebnahme der Zeitschriftenhefteverwaltung wird es mit Hilfe des OPAC möglich sein, nicht nur festzustellen, welche Zeitschriftentitel und welche Jahrgänge (Bände) dazu die Bibliothek hat, sondern auch, welche Hefte eingelangt sind bzw. welche Hefte gerade beim Buchbinder sind. Sobald unser "altes" Entlehnsystem aLF durch die Ausleih-Komponente von Aleph ersetzt werden kann, kommen benutzerseitige Entlehnfunktionen dazu: Vormerkung und Verlängerung über das Internet, ebenso die Abfrage des eigenen "Benutzerstandes" (entlehnte und reservierte Bücher). Die Vorbestellung von Werken, die nicht im Freihandbereich stehen, ließe sich ebenfalls über den Online-Katalog abwickeln. Für die später ins Auge gefasste Aufstellung eines Selbstbedienungs-Ausleih-Terminals ist Aleph eine unabdingbare Voraussetzung.

Durch die Trennung zwischen lokalen Systemen und zentralem System - im Gegensatz zur früheren Architektur mit zentralem Host und über SNA- oder Telnet-Verbindungen angeschlossenen lokalen Terminals (oder PCs mit Terminal-Emulation) - reduziert sich - bedingt durch die vielen lokalen Funktionen - der überörtliche Datenverkehr beträchtlich. Selbst bei Ausfall der Verbundzentrale laufen viele lokale Funktionen (z.B. die Entlehnung) ungestört weiter. Umgekehrt würde bei Ausfall eines lokalen Rechners immer noch der Verbundrechner Recherchen im Gesamtbestand (somit auch in der eigenen Bibliothek) ermöglichen.

Die Leistungsfähigkeit des lokalen Systems kann bei Bedarf durch Ausbau des lokalen Rechners bzw. durch Aufstockung der Lizenzen steigenden Anforderungen viel leichter angepasst werden. Eine weitere Besonderheit von Aleph ist die weit reichende Parametrisierbarkeit der Module. Viele Eigenschaften (z.B. Präsentation und Funktionalitäten des WWW-OPAC, Bibliotheksstruktur, Entlehnkonditionen etc.) können dadurch den Bedürfnissen der jeweiligen Universität besser angepasst werden.

WWW-OPAC Startseite

Bearbeiter-Client für die Katalogisierung, Erfassungsmaske für Titeldatensätze nach MAB-Kategorien

Weitere Informationen

Comment - Zeitschrift des EDV-Zentrums der Uni Wien: http://www.univie.ac.at/comment/: mit der Funktion "Volltext-Stichwortsuche in allen vorhandenen Comment-Artikeln" finden sich unter dem Wort "Aleph" 20 Treffer in 6 Dokumenten

AGBA-Homepage: http://www.bibvb.ac.at/

Ex Libris Homepage: http://www.aleph.co.il/

Ex Libris (Deutschland) GmbH: http://www.exl.de/

Wolfgang Hamedinger: Verbundplanung in Österreich. In: Buchreport 28 (1997) 20, 58-59


Zum Inhaltsverzeichnis, ZIDline 2, Dezember 1999