Immer schneller:
Gigabit-Netzwerke für die Wissenschaft

Peter Rastl
Zentraler Informatikdienst der Universität Wien
Peter.Rastl@univie.ac.at

Die Anbindung von Universitäten und Schulen an das weltweite Internet erfolgt im Allgemeinen nicht über den nächstbesten Internet-Provider, sondern wird in den meisten Staaten von eigenen nationalen Wissenschaftsnetzen (NREN - National Research and Education Network) erbracht. Auf diese Weise können die universitären Internet- Services landesweit gut koordiniert und wirtschaftliche Vorteile durch den gemeinsamen Einkauf größerer Netzkapazitäten und die Inanspruchnahme nationaler und internationaler Fördermittel genutzt werden. Außerdem sind gerade die Universitäten daran interessiert, neue technische Entwicklungen im Internet bereits einzusetzen, bevor sie am Markt allgemein verfügbar sind. Schließlich hat sich ja das Internet im universitären Bereich entwickelt und wurde hier jahrelang erfolgreich verwendet, ehe es seinen Siegeszug auch außerhalb der akademischen Welt antrat (siehe "Es begann an der Uni Wien: 10 Jahre Internet in Österreich", Comment 00/2, Seite 2 bzw. unter http://www.univie.ac.at/comment/00-2/002_2.html).

In Österreich wird das nationale Wissenschaftsnetz ("ACOnet"), das allen gemeinnützigen Einrichtungen der Forschung, Bildung und Kultur zur Verfügung steht, nicht von einer selbständigen Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, sondern vom Zentralen Informatikdienst der Universität Wien betrieben. ACOnet ist ein Backbone-Netz, das die Netzwerke der gegenwärtig 74 Mitgliedsorganisationen untereinander und mit dem Internet verbindet. Jede dieser Organisationen ist mit einer bestimmten Bandbreite, nach der sich auch der Kostenanteil für die Teilnahme an ACOnet richtet, an einen der acht ACOnet-Anschlusspunkte (PoP - Point of Presence) angebunden. Die ACOnet-PoPs befinden sich an der Uni Wien, der TU Graz, den Universitäten Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Leoben sowie an der Fachhochschule Dornbirn.

Der ACOnet-Backbone - also die Verbindung dieser PoPs - wurde bisher mit ATM-Strecken der Telekom Austria betrieben, deren Bandbreite entsprechend den ständig steigenden Anforderungen typischerweise jedes Jahr verdoppelt wurde (zuletzt beispielsweise Wien-Graz 128 Mbit/s, Wien-Innsbruck 32 Mbit/s, Wien-Leoben 8 Mbit/s). Technisch gesehen sind heute allerdings auch im Weitverkehrsbereich bereits Bandbreiten von mehreren Gigabit pro Sekunde möglich. Damit werden im Internet neue Services realisierbar, die bisher nur im lokalen Bereich mit ausreichender Qualität genutzt werden konnten (z. B. Video-Streams).

Um an den Universitäten eine innovative Verwendung des Datennetzes zu stimulieren, etwa beim Einsatz der neuen Medien, sind Bandbreiten im Gigabit-Bereich erforderlich. Erst wenn das Netzwerk die Voraussetzungen für solche Anwendungen bietet, werden sie an den Universitäten Fuß fassen können. Deshalb hat der ZID der Universität Wien Ende vorigen Jahres die Umstellung des ACOnet-Backbone auf Gigabit-Bandbreiten in Angriff genommen: Sowohl die nationalen Backbone-Verbindungen als auch die internationale Internet-Anbindung werden derzeit massiv aufgestockt.

Im November 2001 wurden im Rahmen eines neuen Servicevertrags mit der Telekom Austria sechs der acht ACOnet-PoPs über Lichtwellenleiter mit einer Bandbreite von 1,25 Gbit/s verbunden (siehe Abb. 1); für die beiden Standorte Leoben und Dornbirn wird im nächsten Jahr eine Aufstockung auf 100 Mbit/s angestrebt. Diese neue, um eine Größenordnung leistungsfähigere Infrastruktur ermöglicht es, künftig den Datenverkehr innerhalb von ACOnet wie in einem LAN ohne Verkehrsbeschränkungen - abgesehen vom Gigabit-Limit - zu erlauben und nur die Bandbreiten für den Datenverkehr nach außen (ins nationale und internationale Internet) entsprechend den von den ACOnet-Teilnehmern getragenen Kostenanteilen zu beschränken.

ACOnet 2001

Abb. 1: Nationale und internationale ACOnet-Verbindungen ab November 2001

ACOnet betreibt seine externen Verbindungen über mehrere Anschlüsse: Die NRENs der meisten Staaten Europas und die an diese Wissenschaftsnetze angeschlossenen Institutionen sind über ein eigenes europäisches Wissenschaftsnetz untereinander verbunden, welches in Kooperation der europäischen NRENs mit finanzieller Unterstützung durch die EU-Kommission errichtet wurde. An dieses europäische Wissenschaftsnetz, das im Lauf der Jahre unter verschiedenen Namen (zuletzt: TEN-155 - Trans European Network at 155 Mbps) ständig ausgebaut wurde, war ACOnet zuletzt mit einer Bandbreite von 90 Mbit/s angeschlossen.

Die europäischen NRENs haben bereits 1999 ein Projekt unter dem Namen GÉANT gestartet, um ein Multi-Gigabit-Backbonenetz als Nachfolge für TEN-155 zu errichten. Dieses für 4 Jahre geplante Projekt mit einem geschätzten Kostenaufwand von 200 Millionen Euro wird von der EU-Kommission in ihrem 5. Rahmenprogramm mit 80 Millionen Euro gefördert. Ein Konsortium von 27 NRENs (für 31 europäische Nationen) unter der Koordination von DANTE, einer für diesen Zweck von den NRENs gegründeten und in Cambridge (UK) behei- mateten Non-Profit-Firma, ist für die Management-Entscheidungen im GÉANT-Projekt verantwortlich. Es ist geplant, auch leistungsfähige Verbindungen zu den Wissenschaftsnetzen in anderen Kontinenten zu errichten und innerhalb der vierjährigen Projektlaufzeit die Bandbreite im europäischen Backbone-Netz auf 100 Gbit/s zu erhöhen.

GEANT

Abb. 2: Geplante internationale Verbindungen im europäischen Wissenschaftsnetz GÉANT

Im August 2000 hat DANTE eine europaweite Ausschreibung gestartet, um die für das GÉANT-Netz erforderlichen Datenverbindungen zu beschaffen. Nach einem aufwendigen Auswahlverfahren (immerhin waren Angebote von 31 Anbietern zu evaluieren) wurden schließlich am 5. Juli 2001 die Verträge mit den Bestbietern COLT Telecom, T-Systems (Deutsche Telekom) und Telia unterzeichnet, die den Kern des GÉANT-Netzes mit Bandbreiten von 10 bzw. 2,5 Gbit/s bereitstellen. Österreich ist dabei mit einer 10 Gbit/s-Verbindung nach Genf und einer 2,5 Gbit/s-Verbindung nach Frankfurt in dieses Netzwerk integriert und bildet auch den Anschlussknoten nach Ungarn, Slowenien und Kroatien (siehe Abb. 2). Das GÉANT-Netz ist im November 2001 in Betrieb gegangen; ACOnet wurde mit einer Bandbreite von 620 Mbit/s daran angeschlossen, was eine Steigerung um mehr als das Zehnfache gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Über den VIX (Vienna Internet eXchange; siehe Comment 01/1, Seite 30 bzw. http://www.univie.ac.at/comment/01-1/011_30.html) ist ACOnet mit den kommerziellen österreichischen Internet-Providern (und auch einigen ausländischen) verbunden. Die Verbindung zu sämtlichen Netzknoten im Internet, die nicht über den VIX oder über TEN-155 zu erreichen sind, stellt ACOnet durch einen Anschluss an Ebone, einen der führenden Internet-Backbones, her (derzeit 200 Mbit/s, ab 2002 620 Mbit/s). Dass alle diese Verbesserungen bei gleichbleibendem ACOnet-Budget (jährlich etwa 80 Millionen Schilling) möglich waren, gehört wohl auch zu den Erfolgen dieser Anstrengungen.


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